Vortrag: Aufbau und Entwicklung des chinesischen Emissionshandelssystems (ETS)

Wirtschaftsprofessor aus Wuhan zu Gast im Konfuzius-Institut | Wie kann man das Dilemma zwischen prosperierender Wirtschaft und Nachhaltigkeitszielen in den Griff bekommen? Die Einführung eines Emissionshandelssystems (ETS) gilt als wichtiges Instrument. Diesen Weg hat auch China eingeschlagen. Welche Maßnahmen werden im Reich der Mitte aktuell umgesetzt, um Emissionen zu reduzieren und zu regulieren? Darüber erfuhr ein interessiertes Publikum im Vortrag im Konfuzius-Institut am 21. Oktober 2024 mehr. Als Referenten begrüßten wir Prof. Shaozhou Qi, 齐绍洲, Direktor des Forschungszentrums für Klimawandel und Energiewirtschaft an der Universität Wuhan, unserer Partnerhochschule. Im Vortrag gab er einen Einblick in die Entwicklung und Effektivität des chinesischen ETS und verdeutlichte seine zentrale Bedeutung für den Klimaschutz. Prof. Qi hat eines der sieben Pilotprojekte begleitet, die heute wegweisend für das Land sind. Den Klimawandel nannte er „das größte Marktversagen der Geschichte“ – eine Herausforderung, der nur durch innovative und umfassende marktwirtschaftliche Lösungen begegnet werden könne. Chinas ETS stelle in diesem Kontext einen wichtigen Fortschritt dar.

Prof. Qi führte zunächst in allgemeine Grundlagen eines ETS ein. Als zu gestaltende Bestandteile definierte er den gesetzlichen Rahmen, ein effektives System für das Data Monitoring (Monitoring, Reporting and Verification, kurz „MRV“), Regelungen darüber, welche Sektoren einbezogen werden, wie Emissionsrechte verteilt werden (Benchmark oder Grandparenting) sowie ein Emissionsregister.

Im Falle Chinas war für die Entwicklung des ETS prägend, den Emissionshandel erst einmal in ausgewählten Regionen als Pilotprojekte einzuführen. Zwischen 2013 und 2021 wurden so in sieben Provinzen bzw. Metropolregionen (Beijing, Tianjin, Shanghai, Shenzhen, Hubei, Chongqing, Guangdong) lokal begrenzte ETS aufgebaut, die mit unterschiedlichen Sektoren und Regelungen „experimentierten“. Dies ermöglichte es, praxisnahe Erkenntnisse über das Design, die Herausforderungen und die Marktdynamik des Emissionshandels zu sammeln. So seien in der Provinz Hubei beispielsweise die Zertifikate erst nach der grand-parenting Methode zugewiesen worden, was sich aber als eher kontraproduktiv erwies. Unternehmen wurden hier nur nach ihren Emissionen in der Vergangenheit bewertet. Mittlerweile findet daher die benchmarking-Methode Anwendung.

Seit 2021 besteht in China ein nationales ETS für den Energiesektor, das bereits über 2000 Energieunternehmen umfasse, die rund 40 Prozent der chinesischen CO2-Emissionen verantworteten. Nach und nach sollen weitere Sektoren am Emissionsmarkt teilnehmen, geplant ist ab dem Jahr 2025 den Emissionshandel auf die Stahl-, Aluminium- und Zementindustrie auszuweiten. Weitere Sektoren sollen in stufenweise folgen. Prof. Qi betonte, dass in China damit das weltweit umfangreichste und größte ETS entstanden sei und weiter entwickelt werde.

Derzeit sei der CO2-Preis im Vergleich zum europäischen ETS noch sehr niedrig, aber auch dieser werde nach und nach steigen.

Chinas Langzeitstrategie zielt darauf ab, das ETS als integralen Bestandteil der nationalen Klimapolitik zu verankern, erläuterte Prof. Qi. Er illustrierte dies anhand der Klimaziele Chinas, die bis 2030 eine deutliche Senkung der Treibhausgasemissionen und einen signifikanten Ausbau erneuerbarer Energien vorsehen. Das ETS werde hierbei eine zentrale Rolle spielen, indem es den Unternehmen sowohl finanzielle Anreize als auch langfristige Planungssicherheit biete, um Emissionen zu reduzieren und in nachhaltige Technologien zu investieren. Zudem solle das ETS mit anderen Umweltprogrammen und Anreizsystemen kombiniert werden, um eine effektive und umfassende Strategie für den Klimaschutz zu schaffen.

Bericht: Alina Kubis & Susanne Löhr

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