In einem Vortrag am 7. Juli 2025 analysierte Prof. Dr. Markus Taube, Co-Direktor des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr und Inhaber des Lehrstuhls Ostasienwirtschaft / China an der Universität Duisburg-Essen (UDE), den aktuellen Handelskonflikt zwischen China und den USA.
Im Zentrum stand die These, dass der aktuelle Handelskonflikt einen fundamentalen Bruch der Weltwirtschaftsordnung zur Folge habe: Das System der wirtschaftlichen Öffnung, globaler Arbeitsteilung und Wertschöpfungsketten (GVCs) und somit bewusst eingegangene Abhängigkeiten, stünde vor einer Zäsur. Taube zufolge seien die globalen Wirtschaftsbeziehungen von strategischem Misstrauen und Konkurrenzverhältnis geprägt. Zölle belasteten nicht nur Lieferketten, sondern auch Finanzmärkte und Investitionen nachhaltig.
Den Wendepunkt verortete er in der ersten Amtszeit Donald Trumps („Trump 1.0“), als China und die USA jeweils den anderen als „Peaking Power“ wahrnahmen – als Macht also, die ihren Höhepunkt erreicht und die im Angesicht des Niedergangs besonders aggressiv und gefährlich werden könnte. Diese konfrontative Haltung sei unter Präsident Biden inhaltlich fortgeführt worden. Mit „Trump 2.0“ sei jedoch eine neue Eskalationsstufe erreicht worden. Taube verwies darauf, dass mittlerweile nahezu alle chinesischen Exporte in die USA von Strafzöllen betroffen seien – mehr als noch in der ersten Amtszeit Trumps. Zwar seien einige Maßnahmen wieder abgeschwächt worden, etwa im Bereich von Smartphones oder Computern. Dennoch bedeute die aktuelle Entwicklung für viele: Ein funktionierendes Geschäftsmodell des gegenseitigen Handels existiere nicht mehr.

Besonders deutlich werde dies an den asymmetrischen Abhängigkeiten. Während China bestimmte Importe aus den USA – wie etwa Flugzeugteile – schrittweise ersetzen könne, seien die USA in zahlreichen Sektoren stark auf chinesische Produkte angewiesen. Vor allem bei Gütern mit unelastischer Nachfrage – etwa Seltenen Erden – lasse sich die Versorgung kaum umstellen. Eine aktuelle Studie von McKinsey zeige, dass China für viele Bedarfe der US-Wirtschaft strukturell nicht ersetzbar sei.
Zwar sei bereits Anpassungsverhalten erkennbar, beispielsweise durch umgeleitete Handelsströme (legal wie illegal 洗产地), doch könnten diese Bedarfe auf Angebots- und Nachfrageseite nur teilweise abdecken. Gleichzeitig gebe es Signale vorsichtiger Deeskalation, etwa durch gegenseitige Zollanpassungen.
Laut Taube treffe dieses internationale Umfeld auf ein China, das mit erheblichen strukturellen Herausforderungen im eigenen Land zu kämpfen habe. Er wies auf die Belastung der Binnenwirtschaft durch das Platzen der Immobilienblase, den demografischen Wandel, Arbeitslosigkeit und ein ineffizientes Marktbereinigungssystem hin. All dies seien Faktoren, die eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung erschwerten.
Gleichzeitig habe China bereits ab 2013 mit einer klaren Gegenstrategie reagiert: Die Führung in Peking habe sich früh auf eine Phase der Konfrontation eingestellt und begonnen, wirtschaftliche Eigenständigkeit sowie nationale Krisenresilienz systematisch zu stärken. Auch im aktuellen Handelskonflikt mit den USA beobachtet Taube, dass Peking kühl nach Trumps eigener Logik – der „Art of the Deal“ – agiere: mit Druck, taktischem Nachgeben und kalkulierten Drohszenarien. Als Beispiel nannte er Chinas strategischen Einsatz seines Monopols bei Seltenen Erden – ein Hebel, den die chinesische Führung laut Taube derzeit effizienter nutze als Trump selbst.
China reagiere nicht nur auf geopolitische Spannungen, sondern verfolge seit Jahren eine strategisch angelegte De-Risking-Politik, unter anderem durch die Belt and Road Initiative (BRI), eigene Zahlungssysteme wie CIPS und die Internationalisierung des Renminbi. Peking baue aktiv alternative wirtschaftliche und institutionelle Strukturen auf – als Gegenmodell zum westlich dominierten System. Diese Strategie spiegele sich auch in Chinas Engagement in multilateralen Handelsabkommen wie RCEP sowie dem angestrebten Beitritt zum CPTPP wider. Taube begrüßte, dass auch die EU wachsende Bereitschaft zeige, sich wirtschaftlich stärker im indopazifischen Raum zu engagieren – Ausdruck einer sich wandelnden globalen Wirtschaftsordnung. Er sieht Chancen in einem möglichen europäischen Engagement bei CPTPP, aus dem sich die USA verabschiedet haben.

