Live zugeschaltet aus Peking: Dr. Eva Sternfeld, Expertin für Umweltfragen und wissenschaftliche Zusammenarbeit |
Am 06.11.2024 begrüßte das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr Dr. Eva Sternfeld zu einem Online-Vortrag. Die studierte Geografin und Sinologin hat den Wandel des Landes in den Bereichen Energie und Umwelt seit den 1980er Jahren begleitet. In der Veranstaltung beleuchtete sie den Energiemix und die Energieressourcen, die China einsetzt. Im Zentrum stand die Frage, was China unternimmt, die bis 2060 angestrebte Transformation zur Klimaneutralität zu erreichen.
Mit einem Zitat von Deng Xiaoping Ende der 70er Jahre skizzierte Dr. Sternfeld Chinas damaligen pragmatischen Ansatz in der Wirtschaftspolitik. „Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, solange sie Mäuse fängt“ wird Deng zitiert. Diese Philosophie, so Sternfeld, hat die Entwicklung des Landes maßgeblich geprägt und den Weg für die beeindruckenden ökonomischen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten geebnet. Chinas Wirtschaftswunder ging jedoch einher mit einem rapiden Anstieg des Energieverbrauchs und massiven Umweltbelastungen. Als „Werkbank der Welt“ machte China eine nachholenden Entwicklungsprozess durch und vertrat die Haltung, dass das Land sich durch Umweltschutz nicht die industrielle Entwicklung verbieten lassen solle – so die Position bei der UN-Klimakonferenz 1972 in Stockholm.
Dr. Sternfeld nahm das Publikum mit auf eine durchaus auch visuelle Reise durch ihre Zeit in Peking, wo sie seit 2018 lebt. Anschaulich zeigte sie, wie schnell sich China in den letzten Jahren verändert hat. Besonders hervorzuheben sei die rasante Entwicklung im Bereich der Stromerzeugung und des Automobilmarktes. Seit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 habe sich das Land in vielen Bereichen zur Weltspitze entwickelt – insbesondere in der Produktion von Elektrofahrzeugen und in der Stromerzeugung.
Trotz dieser Fortschritte gebe es nach wie vor große Herausforderungen. Ein zentrales Thema sei die Umweltsituation in China, und während der vergangenen 15 Jahr insbesondere die hohe Feinstaubbelastung in den Städten. Mittlerweile habe sich die Luftqualität in der Hauptstadt beispielsweise merklich verbessert. Verantwortlich hierfür seien vor allem die Ausweisung von Industriebetrieben und Kraftwerken aus dem Stadtgebiet, die verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen, Elektrobussen und -rollern. Sandstürme bleiben jedoch eine anhaltende Umweltproblematik. Dagegen sollen Aufforstungsprogramme Wirkung zeigen.
Ein weiteres zentrales Thema des Vortrags war Chinas komplexe Energiepolitik, die den Spagat zwischen Energiesicherheit, Umweltschutz und Klimaschutz verdeutlichte. Trotz der Entwicklung neuer Technologien und der Zunahme erneuerbarer Energien bleibt China stark auf Energie aus Kohle angewiesen. China ist der weltgrößte Produzent und Verbraucher von Kohle und verantwortlich für ca. 27 Prozent des weltweiten Verbrauchs. Auch andere fossilie Energien, wie Gas und Öl sind weiterhin wichtige Energieträger. Beide muss China hauptsächlich importieren.
Ein weiteres viel diskutiertes Thema war der Ausbau der Kernenergie. Die Atomkraft betrachtet China als nachhaltige Energiequelle, die weiter genutzt werden soll. Damit steht das Reich der Mitte nicht allein da: Finnland setzt auf Atomkraft und auch EU-Staaten wie Frankreich und Tschechien haben Atomkraft zu klimaneutraler Technologie erklärt. Mit derzeit 56 Atomkraftwerken und weiteren geplanten Anlagen verfolgt China eine klare Strategie, die Atomkraft als eine nicht-fossile Energiequelle zu nutzen. Allerdings bleibt die Frage der Endlagerung von Atommüll ein umstrittenes Thema. Dr. Sternfeld verwies auf Vorschläge, das Endlager in abgelegene Wüstengebiete zu verlagern, was jedoch nach wie vor ein politisch heikles Thema darstelle.
Dr. Sternfeld sieht nach wie vor große Hürden für Chinas ambitionierte Klimaziele. Als eines der Hauptprobleme macht sie die noch immer bestehende Abhängigkeit von Kohle als Energieträger aus. Aktuell rücke ein Kohleausstieg in weite Ferne und scheine auf absehbare Zeit nicht realisierbar, so ihr Eindruck angesichts der aktuellen Entwicklungen.
Im Anschluss an den Vortrag wurden einige Fragen aus dem Publikum von der Referentin gestellt, unter anderem zur Sicherheit von Kernkraftwerken.