Prof. Dr. Anna Lisa Ahlers (MPIW & Oslo University) ist zu Gast am Konfuzius-Institut |
Am 27. Januar 2025 referierte Prof. Dr. Anna Lisa Ahlers über Chinas Umwelt- und Klimapolitik im Kontext der Frage, ob China eine grüne Technokratie sei. Das Fallbeispiel chinesischer Klima- und Umweltpolitik ist aus mehreren Gründen von Relevanz. Zum einen ist China im letzten Jahrzehnt als „grüne Weltmacht“ immer stärker in eine Führungsposition bei Weltklimagipfeln gelangt. Zum anderen ist diese Positionierung nicht unumstritten, obwohl der Anteil von Klimaleugnern innerhalb der chinesischen Öffentlichkeit im internationalen Vergleich gering ausfällt. In globalen Diskursen wird China mal als technologischer Vorreiter, mal als größter Emissionsproduzent verstanden. Aus diesen Diskursen ergebe sich zudem die Frage, ob zentralistische Systeme wie die VR China besser geeignet seien, den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen.

Anna Lisa Ahlers betonte, dass es keine eindeutigen Ja-Nein-Antworten auf diese Frage gebe. Es sei jedoch festzustellen, dass die chinesische Führung im Kampf gegen den Klimawandel eine „technische Lösung“ anstrebe. Die Bevölkerung sehe die Führung in der Pflicht, wobei speziell die Förderung technologischer Infrastruktur als Lösungsansatz identifiziert wurde. Innerhalb der Führungsebene des Staates und der Partei selbst seien technokratische Strukturen erkennbar, die sich insbesondere seit der Ära Jiang Zemin herausgebildet hätten: So bestehe die Staats- und Parteiführung selbst vornehmlich aus promovierten Ingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern. Allerdings entspricht die VR China nicht vollständig der Technokratiedefinition, nach der Sachzwänge durch Sachverständige und Sachverstand gelöst würden. So ist das Land keineswegs von der Zentralregierung aus einfach bis auf die lokale Ebene „durchzuregieren“. Provinzen und Regionen verfolgen durchaus eigene Interessen und stehen in vielen Bereichen in starker Konkurrenz zueinander. Ineffizienzen, Korruption, individuelle Karriereinteressen und lokaler Widerstand gegen beispielsweise Industrieanlagen oder aber auch Umweltschutzmaßnahmen beeinflussen die politischen Ergebnisse.

Die Expertin vertiefte als Beispiel die Anti-Smog-Kampagnen der 2010er Jahre sowie sogenannte „Blauer Himmel“-Kampagnen für Großereignisse (s. auch: The Great Smog of China: A Short Event History of Air Pollution, by Ahlers, Hansen, and Svarverud. New York: AAS/Columbia University Press, 2020). Anna Lisa Ahlers erklärte, wie das Problembewusstsein hinsichtlich Feinstaub entstand und wie die Luftverschmutzung zum Thema auf der politischen Agenda wurde – hatten doch in der Mao-Ära rauchende Schornsteine noch Fortschritt symbolisiert. Die ergriffenen Maßnahmen reichten von einfachen Lösungen, wie dem Austausch von Filtern in Industrieanlagen, bis hin zu komplexer Wettermodifikation in Kombination mit der gezielten Schließung von Fabriken sowie permanenter Verlegung von Verschmutzungsquellen. In der Folge konnte die Luftqualität in zahlreichen (ost-)chinesischen Städten signifikant verbessert werden.
In ihrem Vortrag thematisierte Anna Lisa Ahlers zudem die chinesische Klimaforschung sowie die Fragen rund um internationale Forschungszusammenarbeit mit China. Sie verwies auf die Notwendigkeit der Kooperation in der Forschung mit China, nannte jedoch auch Probleme und Hürden wie mögliches Dual-Use-Potenzial, geopolitische Interessen oder Datenverlässlichkeit. Sie konstatiert eine Versicherheitlichung der Forschung vor dem Hintergrund der westlich-chinesischen Konkurrenz. Wie auch auf die Frage nach China als Technokratie sieht Anna Lisa Ahlers positive wie negative Elemente und plädiert für einen differenzierten Umgang mit dem Forschungsland China.